Einblick
Kommende Entscheidung über das rechtliche Kriterium der „Neuheit“
Eine der wichtigsten Voraussetzungen für die Erlangung eines Patents auf ein Produkt in Europa ist, dass das Produkt neu ist. Das bedeutet, dass das Produkt vor dem Tag der Patentanmeldung der Öffentlichkeit noch nicht in irgendeiner Form zugänglich war. Wichtig ist dabei, dass etwas nur dann als der Öffentlichkeit zugänglich gilt, wenn es ohne weiteres reproduziert werden kann. Folglich nimmt eine Zeichnung eines hochkomplizierten Moleküls aus dem Jahr 1870, das damals niemand herstellen oder isolieren konnte, einem späteren Patent auf dieses Molekül nicht die Neuheit.
Kann man Coca Cola in Europa patentieren?
Ist zum Beispiel Coca Cola „allgemein zugänglich“ in dem Sinne, dass es die Neuheit von Patentansprüchen auf „ein zuckerhaltiges kohlensäurehaltiges Getränk“ aufheben kann? Diese Frage ist nicht so einfach zu beantworten.
Ist Coca Cola ohne weiteres reproduzierbar?
Nein, würden einige Beschwerdekammern sagen, die in Beschwerdeverfahren vor dem Europäischen Patentamt Entscheidungen treffen. Ebenso wie das hochkomplizierte Molekül kann man auch Coca Cola nicht von Grund auf selbst herstellen. Die Rezeptur von Coca Cola ist ein gut gehütetes Geheimnis, und nicht alle seine Bestandteile können analysiert werden.
Ja, würden andere Kammern sagen. Man kann zumindest ein zuckerhaltiges kohlensäurehaltiges Getränk herstellen, und man muss nicht in der Lage sein, eine exakte Kopie von Coca Cola herzustellen. Wiederum andere Kammern würden argumentieren, dass man Coca Cola einfach im Supermarkt kaufen kann, wenn man mehr davon haben möchte.
Polymerprodukte
Wenn Kammern zu widersprüchlichen Ergebnissen kommen, kann eine Kammer die Große Beschwerdekammer fragen, wie das Gesetz auszulegen ist. Dies geschah letztes Jahr in einem Fall, in dem es um die Frage ging, ob ein handelsübliches Polymerprodukt öffentlich zugänglich gemacht worden war. Wie Coca Cola konnte dieses Polymerprodukt zwar gekauft, aber nicht genau reproduziert werden, da seine genaue Zusammensetzung nicht bekannt war.
Die Große Beschwerdekammer hat noch keine endgültige Antwort auf diese Frage gefunden, aber kürzlich eine vorläufige und nicht bindende Stellungnahme abgegeben. Darin schlägt die Große Beschwerdekammer vor, dass die kommerzielle Verfügbarkeit ausreicht, um das Erfordernis der Reproduzierbarkeit zu erfüllen. Andere Überlegungen würden nach Ansicht der Großen Kammer zu absurden Schlussfolgerungen führen. Gleichzeitig wird in der vorläufigen Stellungnahme darauf hingewiesen, dass nicht analysierbare Bestandteile möglicherweise nicht öffentlich bekannt sind und dennoch beansprucht werden könnten.
Es scheint also, dass ein breiter Anspruch, der Coca Cola abdeckt, in Europa nicht als neu angesehen würde. Demgegenüber könnte ein spezifischer Anspruch immer noch neu sein, wenn er sich auf einen neu gefundenen Bestandteil von Coca Cola bezieht, der bisher „versteckt“ war.
Fortsetzung folgt
Natürlich wird die endgültige Entscheidung der Großen Kammer auch für andere Bereiche als Lebensmitteltechnologie und Polymerchemie von Bedeutung sein. Zu diesen Bereichen gehören zum Beispiel Kosmetika, Pflanzenschutzmittel, die Papierindustrie, Farben und viele andere.
Die Patentanwälte von V.O. erwarten mit Spannung die Entscheidung in dieser Angelegenheit, da diese einen großen Einfluss darauf haben kann, was in Europa noch patentierbar ist.
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